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Georg
Christoph Lichtenberg (1742-1799) soll einmal ausgerufen
haben: "Nach dem Beweis der Heliozentrik unseres
Planetensystems müssen alle neuen Entdeckungen nach diesem
Paradigma dekliniert werden."
Ja, es war eine gewaltige wissenschafliche Revolution, die mit dem
Glauben an die Erde als Mittelpunkt des Weltalls aufräumte, eine
unfassbar weite, neue Perspektive in der Welt der Wissenschaften
schuf, die den Nährboden für unzählige neue Forschungen zubereitete
und ein weiteres Mal die christlichen Kirchen gemahnte, die Unumstößlichkeit der Bibel-"Wahrheiten" aufzugeben.
Das Wort Paradigma (Plural: Paradigmen oder Paradigmata) ist griechischen Ursprungs. Es bedeutet:
τό παράδειγμα = das Muster, Vorbild,
Beispiel.
Auch wenn es in verschiedenen Wissenschaften (Philosophie,
Sprachwissenschaft, Rhetorik, Wissenschaftstheorie) entsprechend
ausgerichtete "Paradigmen"-Bedeutungen gibt, so herrscht doch im
allgemeinen Sprachgebrauch meist die wissenschaftstheoretische
Bedeutung vor: Grundmuster, Grundauffassung in einer
wissenschaftlichen Disziplin zu einem bestimmten Zeitpunkt.
Der Hase läuft und läuft. Plötzlich schlägt er einen Haken,
entkommt so der Meute. Wenn uns auch ein Paradigmen-Wechsel in
unserer Alltagsbefindlichkeit herzlich wenig kümmert, so spüren wir
doch nach und nach - mal eher, mal später - den Einfluss des neuen
"Musters" auf unser Alltagsleben: den Sprung in der
gesellschaftlichen Entwicklung, die fruchtbare Neuorientierung oder
zusammenfassend den Fortschritt der kulturellen Evolution, der
letztlich unserem Überleben im Kampf mit der "Meute", dem Unguten dient.
Mit der kleinen Auswahl dieser Seite sollen einige Paradigmen näher
betrachtet werden. Es könnte dabei deutlich werden, dass jedes
"alte" Paradigma auf einem "Irrtum" oder "Unvermögen" beruht und
das neue der Wahrheit und den Möglichkeiten menschlicher
Schaffenskraft und Einsichtsfähigkeit etwas näher gekommen ist. Wir können sehen, dass
Paradigmen Entdeckungen, Erkenntnisse darstellen, aber auch
Schöpfungen sein können. Also längst Vorhandenes, uns zunächst noch
Verborgenes wird entdeckt, erkannt, ge- und erfunden oder noch nie
Dagewesenes wird geschaffen.
Wir können auch sehen, dass Paradigmen mal eine universale, mal
eine globale, nationale oder sogar "nur" individuale Bedeutung
haben. In jedem Fall sind sie Beginn einer Wendezeit.
Und warum? Ja, warum treibt es den Menschen zur Suche, zu neuen
Erfindungen, zum Fortschritt? Ich denke, dass Manfred Hausmann
(1898-1986) der Wahrheit nahe kommt, wenn er zum Fortschritt
spaßig schreibt:
Ohne Faulheit kein Fortschritt
!
Weil der Mensch zu faul war zu rudern,
erfand er das Dampfschiff;
weil er zu faul war, zu Fuß zu gehen,
erfand er das Auto;
weil er zu faul war, abends die Augen zuzumachen,
erfand er das Fernsehen.
Tatsächlich müssen wir bestätigen, dass die meisten
"Errungenschaften" um uns herum den einen großen Zweck verfolgen
können: das Leben einfacher, bequemer, ungefährlicher,
zukunftsfähiger und vielleicht auch glücklicher zu machen. Aber in
der Realität bringen "Errungenschaften" immer Vor- und Nachteile
mit sich, können das Leben auch komplizierter,
beschwerlicher, gefährlicher, zukunftsuntauglicher und
unglücklicher machen.
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