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So ist der
Mensch:
Das, was er mit seinen natürlichen Kräften vermag, erlernt und
verbessert er bis an die Grenze der Perfektion. Fertigkeiten
jedoch, die ihm nicht von Natur aus eigen sind, die er aber
beherrschen möchte, werden Gegenstand intensiver Sehnsucht. Einer
Sehnsucht, die er sich mit technischen, wissenschaftlichen und
künstlerischen Mitteln zu erfüllen sucht.
So sehnt sich der Mensch danach, fliegen zu können oder beliebig lang
und weit unter Wasser tauchen zu können. Sehnsüchte, die er sich
mühsam - aber sehr erfolgreich - erfüllen kann.
Und von jeher ist es eine buchstäbliche "Sehn"-sucht des Menschen,
weit entfernte Dinge greifbar nah und Winziges ganz groß und
deutlich zu sehen. Auch diese Sehnsucht bringt epochale Erfolge
hervor, die uns eine völlig neue Weltsicht und ungeahnte
Fortschritte verschaffen.
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Und so sollte
er bleiben:
Seine Sehnsüchte werden zu Visionen und Visionen werden zu Nahrung
für Seele und Geist, zu Nahrung, die ihm kreative Kraft, Zuversicht
und Mut zum Aufbruch schenkt ...
Sicherlich haben schon vor ihm andere Menschen diesen Effekt
gesehen ohne ihn wahrzunehmen: aber die erste schriftliche
Überlieferung, die von einer Bildvergrößerung durch eine mit Wasser
gefüllte kugelige Glasvase berichtet, stammt vom römischen
Schriftsteller Seneca (4 vuZ-65).
Es vergehen über 1000 Jahre, bis in Italien die ersten konvexen,
"linsen"-förmigen Brillengläser zur Korrektur der Weitsichtigkeit
geschliffen werden. 1451 stellt der Universalgelehrte Nikolaus von
Kues konkave, also nach innen gewölbte Gläser gegen die
Kurzsichtigkeit her.
1590 kommt es dann zum ersten
Vorstoß in die "Mikro-Welt" :
Der holländische Brillenmacher Z. Janssen und sein Sohn konstruieren in diesem Jahr das erste
Mikroskop aus zwei in einem
Tubus angebrachten konvexen Linsen. Und nur 18 Jahre später baut der im westfälischen Wesel geborene
und nach Holland ausgewanderte Brillenmacher Hans Lippershey
(1570-1619) das erste Teleskop, welches ein Jahr später
(1609) von G. Galilei nachgebaut wird. Dieser entdeckt die Phasen
der Venus, die vier größten Jupiter-Monde, die Saturnringe und die
Sonnenflecken. Die Entwicklung des eigentlichen astronomischen
Fernrohrs geht auf Johannes Kepler (1571-1630) zurück. Er
verwendet im Unterschied zum Teleskop (Lippershey, Galilei: Objektiv = bikonvexe L. / Okular = bikonkave
L.) als Okular ebenfalls eine bikonvexe Linse. Alle heutigen
Linsenteleskope beruhen auf dem Kepler'schen Fernrohrprinzip.
Eine völlig neue, ungeahnte Welt erschließt sich den Naturforschern
in den kommenden Jahrzehnten. So
findet A. van Leeuwenhoek (1632-1723) im Wassertropfen aus einem
Tümpel winzige Lebewesen, die man heute Mikroorganismen nennt.
1677
entdeckt er unter dem Mikroskop menschliche "Samen"zellen, Spermien, die sich wie Kaulquappen
schwänzelnd fortbewegen.
Schier unerschöpflich tut sich dem Menschen der Mikrokosmos
auf. So entdeckt 1658 J. Swammerdam
die roten Blutkörperchen (Erythrozyten), jedoch ohne deren Funktion
zu ahnen. Schließlich gelingt auch die Beobachtung des Transports
dieser roten, konkaven Scheibchen durch die haarfeinen Kapillaren.
Atem beraubende weitere Entdeckungen folgen in für damalige Zeiten
typisch großen Zeitabständen. Bakterien werden zunächst lediglich als Kleinstlebewesen identifiziert.
1849 entdeckt Pollender den Zusammenhang zwischen dem
entdeckten Bazillus und der durch ihn verursachten Krankheit, dem Milzbrand. Das Zeitalter der
Infektiologie beginnt. 1869 entdeckt Hansen den Erreger der
Lepra, 1879 Neisser die Gonokokken, 1880/81 werden die Erreger der
Malaria, des Typhus, der Pneumonie entdeckt. Von 1882 bis 1905
werden die Erreger der Tuberkulose, Diphterie, Cholera, Pest und
Syphilis identifiziert.
Und mit der Entdeckung der Erreger setzt die gezielte Suche nach
Heilmitteln gegen bis dahin meist tödlich verlaufenden
Infektionskrankheiten ein: Impfstoffe und Antibiotika helfen,
Geißeln der Menschheit zu besiegen. So ist es heute kaum noch
vorstellbar, dass ansonsten gesunde Menschen an einer
Lungenentzündung sterben: Ein Segen. Aber oft werden heute
Antibiotika bei geringfügigen entzündlichen Unpässlichkeiten oder
gar routinemäßig zur Vorbeugung verordnet: Ein Fluch, denn
Allergien und Resistenzen werden gefördert. MRSA ist ein solcher extrem resistenter Keim, der geschwächten Individuen kaum eine Überlebenschance lässt. Antibiotika-Abusus in Humanmedizin und Massentierhaltung bereiten diesem und anderen resistenten Keimen mehr und mehr den Weg, wie ESBL-Keimen oder VRE. Pilzinfektionen sind
auf dem Vormarsch. Sie sind nahezu therapieresistent ...
Die Weiterentwicklung der Mikroskope über die Ölimmersion (1840), die Fluoreszenz-Mikroskopie (1908), das Elektronenmikroskop (1931) mit 50mal stärkerer Vergrößerung als
das leistungsfähigste Lichtmikroskop und die
Phasenkontrast-Mikroskopie (1938) sowie der Teleskope über die
Spiegel- bis zu den Röntgenteleskopen wird vorangetrieben und
beschert uns eine Vielzahl neuer Erkenntnisse und Ansichten -
beschert uns ein neues Weltbild.
1999 wurde die auf 200 nm Auflösungsvermögen begrenzte Lichtmikroskopie um den Faktor 10 verbessert: Die STED-Mikroskopie (S. Hell, T. Klar) ist eine Weiterentwicklung der Fluoreszenz-M. und erlaubt Strukturen im Größenbereich von 20-50 nm zu erkennen. Ohne Mikrotom-Schnitte können lebende Zellen "durchsucht" werden. (1 nm = 10-9 m)
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