Die Schüler mochten ihren jungen Lehrer. Er ging mit ihnen ins Freie und unterrichtete sie in Geometrie - Landvermessung. »Das Gymnasium hatte kein einziges der nötigen Geräte; aber mit meinem fetten Gehalt, 700 Francs, bitte sehr, zögerte ich nicht lange, mich in Unkosten zu stürzen.
Messkette und Richtlatte, Messpfähle und Wasserwaage, Winkelmesser und Kompass wurden auf meine Rechnung angeschafft. (...) Ab Mai verließen wir einmal pro Woche das düstere Schulzimmer und wanderten hinaus in die Felder. (...) Hier war genug Platz für alle nur denkbaren Vielecke. Trapeze und Dreiecke konnten nach Lust und Laune jede Verbindung eingehen. Die endlosen Weiten ließen uns freies Spiel, und ein altes Gemäuer, früher ein Taubenschlag, diente uns beim Einrichten des Winkelmessers als Senkrechte.« Der Lehrer, der lernend lehrte, lernte von seinen Schülern: Immer wieder hoben sie Steine auf, zerbröselten sie, kratzten mit Strohhalmen etwas heraus, lutschten es. »Ich höre mich um, und alles wird klar. Der Schüler, geborener Schnüffler und Beobachter, weiß längst, wovon der Lehrer noch keine Ahnung hat. Auf den Kieseln des Brachfelds baut eine dicke schwarze Biene ihre Nester.
In diesen Nestern ist Honig, und meine
Landvermesser öffnen sie, um die Zellen mit einem Strohhalm ausräumen
zu können. Wie man hier vorgehen muss, wird mir rasch beigebracht.
Der Honig ist durchaus genießbar, wenn auch etwas herb. Auch mir
gefällt die Sache, und ich mische mich unter die Nestsucher. Die Vielecke
werden wir später drannehmen. So also begegnete ich zum ersten Mal
Réaumurs Mörtelbiene, ohne ihre Geschichte zu kennen und ohne
von ihrem Chronisten etwas zu wissen. Dieser prachtvolle Hautflügler
mit seinen dunkelvioletten Flügeln, dem schwarzen Samtgewand, seinen
unförmigen Bauten auf sonnendurchwärmten Kieselsteinen inmitten
von Thymian, seinem Honig, der so gut vom Ernst des Winkelmessers ablenkte,
er beeindruckte mich tief; und ich wollte mehr über ihn erfahren,
als meine Schüler mir beigebracht hatten (...).« Ein ganzes
karges Monatsgehalt gab darauf der Lehrer für die »Naturgeschichte
der Gliedertiere« aus. In seinem Leben las er das Buch hundertmal.
Es sollte immer den besten Platz in seiner Bibliothek einnehmen, zur Erinnerung
an die ersten Gefühle, die ersten Freuden, die er den Insekten dankte.
»Das Buch wurde verschlungen, das ist das Wort. Ich erfuhr dort den
Namen meiner schwarzen Biene; ich las zum ersten Mal etwas über das
Verhalten der Insekten; ich entdeckte die für mich von einem Glorienschein
umgebenen Namen Réaumur, Huber, Léon Dufour; und während
ich das Buch zum hundertsten Mal durchblätterte, flüsterte mir
eine zaghafte innere Stimme vage zu: Und auch du, du wirst auch einmal
Geschichtsschreiber der Tiere sein!«