2015, also vor acht Jahren, brach ein gewissenhafter deutscher Bundesrichter
sein Schweigen, das ihm mutmaßlich der Korpsgeist bislang aufgenötigt hatte. Er teilte der Öffentlichkeit seine Einschätzung deutscher Straf-Gerichtsbarkeit mit. Er gab bekannt, dass nach seinen Erfahrungen als Bundesrichter ein Viertel aller strafrechtlichen Urteile deutscher Gerichte Fehlurteile seien.
25% von (abgerundet) 600.000 Strafrechtsfälle/Jahr bedeuten 150.000 Fehlurteile/Jahr.
Als Richter am Bundesgerichtshof (Revisionsinstanz) wusste er, warum sich viele Menschen um Überprüfung der ihnen aufgebrummten Urteile nach einer erfolglosen Berufung an den BGH wenden. Und er wusste auch, dass man von einer noch deutlich höheren Zahl Betroffener ausgehen muss, wenn die resignierenden oder weniger wohlhabenden Bürger in die Überlegungen einbezogen würden.
Die Folgen dieser Eröffnung sind eines spätmittelalterlichen Gerichtswesen würdig, nicht aber einer Gerichtsbarkeit des 3. Jahrtausends. Wer also annimmt, die betroffenen Gerichte würden sich bei dieser Mängelrüge und den ihnen nicht unbekannten Verhältnissen in Grund und Boden schämen, der wähnt sich offenbar in ein zeitgemäßes Rechtswesen versetzt. Nein, die klägliche Erwiderung des BGH durch seine Präsidentin Bettina Limperg lautete, "das sei doch garnicht belegt". Meines Wissens wurden keine Anstrengungen unternommen, den Vorwurf massenhafter Fehlurteile zu wider- oder zu belegen. Man muss unterstellen, dass heimliche Testproben noch deutlich höhere Quoten von Fehlurteilen signalisierten. Meines Wissens war die Justiz klug genug, den Tippgeber (engl. Whistleblower) nicht zu belangen oder zu schikanieren. Die StA sah keinen Anfangsverdacht und/oder gehorchte der exekutiven Weisungsbindung (auch dies eher ein unrechtsstaatliches Element).
Ein anderer Bundesrichter sah 2019 ebenfalls dunkle Wolken über der deutschen Gerichtsbarkeit aufziehen: Peter Müller. Doch weil Tippgeber bislang in Deutschland eher als Nestbeschmutzer verunglimpft und verächtlicht werden, unternahm Müller keine Reise zu Justitia in den Götterhimmel, sondern zog Peterchens Mondfahrt vor. Er überschüttete zunächst seine Juristenkollegen vollmundig mit Lob ob ihrer tadellosen Arbeit, um dann zaghaft die erwähnten drohend aufziehenden Wolken zur Sprache zu bringen, die möglicherweise eine existentielle Gefahr für die Justiz bedeuten (Einwurf meinerseits: ... und sicherlich für den im Aufbau befindlichen Rechtsstaat und die ebenso noch nicht verwirklichte Demokratie).
2019 auch die im Vorspann bereits zitierten Empfehlungen des KriK, die unverblümt den anachronistischen, also von der Zeit längst überholten Rechtszustand der bundesdeutschen Justiz kritisieren. Ein Makel, den man keinem EU-Aufnahmekandidaten zugestehen könne!
Es stellt sich die dringliche Frage, ob die "Schmutzwasser-Justiz" (1945) glaubt, sie könne auf ewig weitermachen wie gewohnt. Den fahrlässigen Schmutzwasser-Begriff prägte der mit dem Extrem-Nazi Globke (wohl auf Geheiß der USA) Tandem fahrende katholische Kanzler K.Adenauer (CDU). Und was hat die Entnazifizierung Globkes durch Adenauer höchselbst zu bedeuten? Die Gegenwart spricht eine deutliche Sprache.
Zusammnenfassend müsste also die audio-visuelle Dokumentation jeder Hauptverhandlung vor Gericht zur unabdingbaren Pflicht werden. Alle von den Justiz-Lobbyisten vorgebrachten,
an den Haaren herbeigezogenen Kritikpunkte weisen eine beschämende Unverhältnismäßigkeit auf, die im Widerspruch zu den Rechten der Beschuldigten stehen. Denn der Rechtsstaat gesteht einem Verdächtigten, Beschuldigten und damit auch Schutzbefohlenen die strikte Vermeidung rechtswidriger Praktiken, Maßnahmen, Unterlassungen und Vorgänge während des Gerichtsverfahrens zu. Eine alleinige Tonaufzeichnung vermag diesen vielen, oft nur klandestinen Abweichungen nicht gerecht zu werden.
Würden zB die Nachteile der Kraftfahrzeuge vom Moped bis zum Panzer/Bomber-Jet auch nur halb so gewichtet, wie die Justiz es für ihren Bereich gerne hätte, müsste dieser Sektor der privaten Lebens- und Berufsgestaltung sowie des zivilen und militärischen Industriekomplexes auf der Stelle abgeschafft werden.
Aus all diesen vielfältigen Gründen muss die bei der überwiegenden Zahl der EU-Mitgliedsstaaten bereits längst angewendete AV-Dokumentation endlich auch in Deutschland Pflicht werden - und nicht erst 2030+,+,+. Schmutzwasser hin oder her!
Frühjahr 2023