Das Labyrinth auf Kreta
Eh'bruch der Gattin gereichte dem Königspalast sehr zur
Schande,
die durch Geburt eines doppelgestaltigen Monsters sich zeigte.
Minos beschloss, diesen Makel der Ehe verbergen zu lassen
und in ein vielfach verschachteltes, finstres Gebäude zu
schließen.
Daidalos, äußerst berühmt durch Geschick und kunstvolles
Handwerk,
schuf diesen Bau und verwirrte hierbei alle Zeichen der Gänge,
deren Verlauf den Suchenden täuschte durch Krümmung und
Zweigung.
Grad' wie Maeander in Phrygien spielt mit den Wassern des
Flusses,
rückwärts und vorwärts dahinströmt in wechselnden Schleifen,
selbst sich erblickt im begegnenden Strom, den er mal zu den
Quellen
mal wieder meerwärts dahinlenkt mit schwappenden Wellen.
Ebenso füllte mit Wirrungen Daidalos zahllose Gänge.
Kaum fand er selbst noch die Schwelle des Eingangs: so groß war
die Täuschung.
Hierein hat Minos das doppelgestaltige
Wesen geschlossen.
Stefan Laarmann 2000 / Freie Übertragung nach Publius Ovidius
Naso, genannt Ovid
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