"Ich aber erforsche das Leben"
Die Lebensgeschichte des Naturforschers Jean-Henri Fabre

Disteln

Eine Nichtigkeit diente zum Vorwand für einen entscheidenden Schritt: Der Hausherr ließ die Platanenallee übermäßig stutzen. Sie hatte den Weg zum Tor beschattet. Der Mieter konnte das stupide Massaker nicht ansehen. Er war hungrig nach Ruhe, nach Frieden. Er wollte nicht mehr Mieter sein. Die Einnahmen aus seinen Lehrbüchern machten es möglich. Er ließ für immer die Städte hinter sich. Zog sich zurück ins Dorf. In Serignan fand er, was er brauchte. Ein ödes Stück Land, überwuchert von Unkraut, in dem die Insekten summten. Ein Haus für seine Familie. Ruhe.

»Das hatte ich mir immer gewünscht, hoc erat in votis: ein kleines Stück Land - oh, nicht gar groß, aber umfriedet und den Unannehmlichkeiten der Lage an einer Landstraße entrückt. Ein verlassenes, unfruchtbares Stück Land, verbrannt von der Sonne, günstig für die Disteln und die hautgeflügelten Insekten. Dort würde ich, ohne Störungen durch Vorübergehende befürchten zu müssen, die Sandwespe und die Grabwespe befragen und mich dem schwierigen Zwiegespräch hingeben können, in dem Frage und Antwort das Experiment als Sprache benutzen. Dort würde ich, ohne zeitraubende weite Ausflüge und ohne beschwerliche Wege, die die Aufmerksamkeit schwächen, meine Angriffspläne entwerfen, meine Fallen stellen und die Wirkungen täglich und stündlich verfolgen können. Hoc erat in votis; ja, dies war mein stets gehegtes Verlangen, mein Traum, der sich immer in eine nebelhafte Zukunft verflüchtigte. Man darf ja auch gar nicht daran denken, sich ein Laboratorium auf freiem Felde zu gönnen, solange man dem Zwang der schrecklichen Sorge ums tägliche Brot unterworfen ist. Vierzig Jahre lang habe ich unerschütterlichen Mutes gegen die armseligen Nöte des Lebens gekämpft, und endlich ist das so heiß ersehnte Laboratorium doch gekommen. Was mich dies an Beharrlichkeit, an harter Arbeit gekostet hat, will ich nicht auszuführen versuchen. Es ist gekommen, und mit ihm, besonders wichtig, vielleicht ein wenig Muße. Ich sage ›vielleicht‹, denn ich schleppe immer noch einige Ringe von der Kette des Sträflings am Bein. Der Wunsch ist in Erfüllung gegangen.

Es ist etwas spät, ach, meine schönen Insekten, und ich fürchte beinahe, mir ist der Pfirsich erst dargeboten worden, nachdem mir schon die Zähne zu fehlen anfangen, hineinzubeißen. Ja, es ist etwas spät. Die weiten Horizonte der Jugend sind ein niedriges, drückendes Gewölbe geworden, das von Tag zu Tag sich mehr herabsenkt. Nichts aus der Vergangenheit zurücksehnend, außer den verlorenen Lieben, nichts zurückwünschend, nicht einmal meine zwanzig Jahre, und noch weniger etwas hoffend, bin ich jetzt an dem Punkt, wo man sich, gebrochen durch die Erfahrung der Dinge, fragt, ob es wohl der Mühe lohnt, zu leben. Mitten unter den Ruinen, die mich umgeben, ist aber ein Stück Mauerwerk auf seiner festen Grundlage stehen geblieben: meine Liebe zur wissenschaftlichen Wahrheit. Genügt das, meine geschickten Hautflügler, um den Versuch zu unternehmen, eurer Geschichte in gebührender Weise noch ein paar Seiten hinzuzufügen? Werden die Kräfte den guten Willen nicht im Stich lassen? Meine Freunde, die auch die euren sind, haben mir oft vorgeworfen, dass ich euch so lange alleine gelassen habe, doch das war weder Vergesslichkeit noch Müdigkeit von mir. Ich habe an euch gedacht; es stand bei mir fest, dass die Höhle der Knotenwespe uns noch schöne Geheimnisse zu enthüllen hat, dass die Jagd der Grabwespe uns neue Überraschungen bringen wird. Allein mir mangelte die Zeit.

Ich stand allein in meinem Kampf gegen das Missgeschick, und vor dem Philosophieren musste man leben. Sagt ihnen das, dann werden sie mich entschuldigen. Andere werfen mir meine Schreibweise vor, die nicht genügend feierlich - sagen wir lieber, akademisch trocken sei. Sie sorgen sich, dass eine Seite, die man ohne zu ermüden lesen kann, nicht immer der Ausdruck der Wahrheit sei. Wenn man ihnen glauben wollte, dann wäre es nicht möglich, gründlich zu sein, ohne dunkel zu sein. Ihr Insekten alle, mit Stacheln bewehrte, mit Flügeldecken gepanzerte, übernehmt meine Verteidigung und bezeugt, in welcher Vertraulichkeit ich mit euch lebe, mit welcher Geduld ich euch beobachte, und mit welcher Gewissenhaftigkeit ich eure Handlungen aufzeichne. Ich gebe keine gelehrten Formeln, sondern berichte genau die beobachteten Tatsachen, nicht mehr und nicht weniger, und wer euch nach mir befragen wird, wird dieselben Antworten erhalten. Und dann, meine teuren Insekten, wenn ihr diese braven Leute nicht überzeugen könnt, weil ihr nicht das Gewicht des Langweiligen habt, dann werde ich ihnen sagen: Ihr zerstückelt das Tier, und ich studiere es, während es lebt; ihr macht einen Gegenstand des Schreckens und des Mitleids aus ihm, und ich mache, dass man es lieb gewinnt; ihr arbeitet in einer Folterkammer, ich beobachte unter dem blauen Himmel, beim Gesang der Zikaden; ihr unterwerft die Zelle und das Protoplasma den Reagentien, ich studiere den Instinkt in seinen höchsten Kundgebungen; ihr erforscht den Tod, ich erforsche das Leben. Und dann: Wenn ich zwar für die Gelehrten und Philosophen schreibe, die einst das schwer zu lösende Problem des Instinkts zu klären versuchen werden, so schreibe ich auch, und zwar in erster Linie, für die Jungen, denen ich Liebe zu jener Naturgeschichte einflößen möchte, die man ihnen von anderer Seite verhasst macht. Doch um all das handelt es sich jetzt nicht. Ich will ja von dem Stückchen Land berichten, das ich mir in meinen Zukunftsträumen so oft gewünscht habe, um daraus ein Laboratorium lebendiger Entomologie zu machen, und das ich nun endlich in der Einsamkeit eines kleinen Dorfes erhalten habe. Es ist dies ein harmas. So nennt man bei uns auf dem Lande eine unangebaute, steinige Fläche, die der Thymian überwuchert. Der Boden ist zu mager, um die Arbeit des Pfluges zu lohnen; Schafe weiden im Frühjahr dort, wenn es zufällig geregnet hat und etwas Pflanzenwuchs hervorsprießt.

Mein Harmas jedoch hat, wegen dem bisschen roter Erde, das zwischen dem massenhaften Geröll fast verschwindet, einen Anfang von Kultur erhalten: früher gab es Weinreben darauf, wie es heißt. Und tatsächlich werden beim Ausheben von Gruben zum Anpflanzen einiger Bäume hie und da halbverkohlte Reste jener kostbaren Stümpfe freigelegt. Die dreizackige Grabegabel, das einzige Ackerwerkzeug, das in einen solchen Boden einzudringen vermag, ist also darüber hingegangen, und ich bedaure das sehr, denn die ursprüngliche Vegetation ist dadurch verschwunden. Keine Spur mehr von Thymian, von Lavendel, keine Büsche von Kermeseichen. Wie nützlich könnten mir diese Pflanzen sein, besonders die beiden ersteren, indem sie den Hautflüglern Honig böten.

Im Überfluss dagegen sind ohne mein Zutun alle die Pflanzen vorhanden, die jeden Boden überwuchern, den man erst umgegraben und dann lange Zeit sich selbst überlassen hat. Vor allem gibt es hier Quecken, diese scheußliche Grasart, die ein erbitterter dreijähriger Kampf noch nicht völlig wieder ausrotten konnte. Dann kommen, der Zahl nach, die Centaureen, alle störrisch aussehend, von Stacheln oder sternförmigen Hellebarden starrend; so die Sommerwende-Flockenblume, die Bergflockenblume, und die distelartige, von denen die erstere vorherrscht. Hier und dort erhebt sich aus ihrem unentwirrbaren Durcheinander wie ein Kandelaber, mit großen orangefarbenen Blüten als Flamme, die wilde spanische Golddistel, deren Stacheln so stark wie Nägel sind. Sie wird überragt von der illyrischen Krebsdistel, deren Schaft sich ein bis zwei Meter hoch erhebt und in einer purpurroten Blumenkrone endet. Nicht zu vergessen die wilde Kratzdistel, die so bewehrt ist, dass der Sammler nicht weiß, wo er sie anfassen soll; dann die lanzettliche Kratzdistel, deren Blattrippen in Lanzenspitzen enden, und noch andere Arten. Dazwischen winden sich die langen, mit Haken besetzten Ranken der Brombeere am Boden hin, die blauschwarze Früchte tragen. Wenn man dieses dornige Dickicht besuchen will, in dem die Hautflügler Honig sammeln, muss man hohe Stiefel anziehen, die noch den halben Oberschenkel bedecken, oder sich auf blutige Risse gefasst machen. Solange der Boden noch einige Reste der Frühjahrsregen bewahrt, entbehrt diese wilde Vegetation nicht eines gewissen Reizes. Wenn aber der Sommer mit seiner Dürre kommt, dann hat man eine trostlose Fläche vor sich, die die Flamme eines Zündholzes von einem Ende zum anderen in Brand setzen würde. Dies ist, oder war vielmehr bei meiner Besitznahme, das köstliche Eden, wo ich seitdem die Insekten beobachte. Vierzig Jahre eines Ringens bis aufs Äußerste haben es mir verschafft. Ich nannte es ein Eden, und im Hinblick auf das Ziel, das ich verfolge, ist der Ausdruck wohl am Platz. Dieses verwünschte Land, dem niemand eine Handvoll Samenkörner anvertrauen wollte, ist ein Paradies für die Hautflügler. Seine mächtige Vegetation von Disteln und Flockenblumen lockt sie mir alle aus dem Umkreis herbei.

Nie zuvor sah ich auf meinen entomologischen Streifzügen eine solche Menge von ihnen auf einem Fleck vereint; alles, was zu ihrer Sippe gehört, trifft sich hier. Man findet hier Jäger, die allen Arten von Wild nachstellen, Insekten, die Erdbauten ausführen, und solche, die Stoffe weben, andere, die aus Blättern Stücke schneiden oder aus Blumenkronen, ferner in der Kartonherstellung Erfahrene, Gipser, die Ton als Mörtel verwenden, Zimmerleute, die das Holz anbohren, Minierer, die unterirdische Galerien aushöhlen, und was weiß ich, was sonst noch. Was ist dies für ein Insekt? Es ist eine Wollbiene; sie kratzt den mit Spinnweben bedeckten Stengel der Sommerwende-Flockenblume ab und bringt ein Bällchen Wolle zusammen, das sie stolz am Ende ihrer Mandibeln davonträgt. Unter der Erde wird sie daraus Säckchen von verfilzter Watte herstellen, um darin einen Vorrat von Honig und das Ei einzuschließen. - Und jene anderen, die so eifrig aus den Blumen einsammeln? Es sind Blattschneider, die unter dem Bauch schwarze, weiße oder feuerrote Sammelhaare tragen. Wenn sie die Disteln verlassen, suchen sie benachbarte Sträucher auf, um aus deren Blättern ovale Stücke herauszuschneiden, die sie dann, zu einer Tüte gebogen, heimtragen, um daraus in ihrer Höhle einen kleinen Fingerhut zu machen, der mit Honig gefüllt und mit einem Ei beschenkt wird. - Und die dort, die in schwarzen Samt gekleidet sind? Es sind Mörtelbienen, die ihre Wohnungen aus feinen, durch Speichel fest verbundenen Sandkörnchen herstellen. An den großen Kieseln des harmas werden wir ihre Bauten leicht finden. - Dann wieder jene, die lärmend summen bei ihrem hastigen Flug? Pelzbienen sind es, die in den Löchern alter Mauern und an sonnigen Abhängen der Nachbarschaft ihre Nester bauen. Hier bemerken wir auch die Mauerbienen. Eine schichtet gerade ihre Zellen in der Spirale eines leeren Schneckengehäuses übereinander; eine andere bohrt das Mark aus dem trockenen Stück eines Brombeerastes und erhält dadurch eine zylindrische Unterkunft für ihre Larven, die sie durch eingefügte Zwischenwände in Stockwerke abteilt; eine dritte benützt den natürlichen Kanal eines abgeschnitten am Boden liegenden Schilfrohrs; eine vierte nimmt die von ihr verlassen vorgefundenen Galerien irgendeiner anderen Blumenwespe in Beschlag. Dort Hornbienen, deren Männchen stattliche Hörner tragen; rauhfüßige Bürsten- oder Hosenbienen, die als Sammelwerkzeug an den Hinterbeinen einen Haarpinsel haben; hier die an Arten reichen Erd- oder Sandbienen.

Diese Namen mögen genügen, denn wenn ich alle Gäste meiner Disteln aufzählen wollte, könnte ich nahezu die ganze honigerzeugede Sippe hier Revue passieren lassen. (...) Ein besonders glücklicher Zufall hat nun dieser zahlreichen Familie von Honigsammlern das Völkchen der Jäger zugesellt. Für den geplanten Bau einer Umfassungsmauer hatten die Maurer auf meinem Grundstück hier und dort große Haufen von Sand und von Steinen verteilt. Da die Arbeiten sich in die Länge zogen, wurden diese Materialien vom ersten Jahr an von den Insekten in Besitz genommen. Die Mörtelbienen wählten sich die Zwischenräume der Steine als Schlafgemächer, um dort in dichtgedrängten Gruppen die Nacht zuzubringen. In einem Loch lauerte die kräftige Mauereidechse dem vorbeikommenden Mistkäfer auf, während der graue Steinschmätzer auf dem höchsten Stein sitzend sein Lied sang. Die Sandhaufen gewährten einer anderen Bevölkerung Zuflucht. Die Kreiselwespen legten darin durch Scharren ihre Nester an. Die Grabwespe von Languedoc schleppte an den Fühlern eine Heuschrecke dorthin; eine Lehmwespe kellerte dort ihre Konserven von Zikadellen ein. Alle diese Jäger verschwanden zu meinem Bedauern, als die Maurer den Sand verbrauchten, doch muss ich nur neue Haufen hinschaffen lassen, um sie sofort zurückzurufen. Nicht verschwunden sind nach dem Umbau die Sandwespen, von denen ich die einen im Frühjahr, die anderen im Herbst über den Gartenwegen und zwischen den Rasenflächen auf der Suche nach irgendeiner Raupe herumfliegen sehe, und die munteren, mit den Flügeln schlagenden Wegwespen, welche die verborgenen Schlupfwinkel nach Spinnen durchstöbern. Die größte Art von ihnen belauert die Tarantel, deren Erdlöcher in meinem harmas nicht selten sind. - An heißen Sommernachmittagen ziehen die Amazonenameisen aus ihren Erdnestern in langen Bataillonen auf die Sklavenjagd. Langsam fliegen die vier Zentimeter langen Dolchwespen um einen Haufen von Kräuterwerk und versenken sich in die Pflanzenerde, angelockt durch reichliches Wild: die Larven von Blatthörnern, Nashornkäfern und Rosenkäfern.

Wie viele Gegenstände des Studiums, und noch immer ist ihre Zahl nicht erschöpft! Das Wohnhaus, bei dem dieses Grundstück liegt, war ebenso verlassen wie das Gelände. Als die Menschen fortzogen und die Ruhe gesichert war, kamen die Tiere herbei und nahmen Besitz von allem. Die Grasmücke nahm ihre Wohnung in den Syringen; der Grünling ließ sich unter dem dichten Schutzdach der Zypressen nieder; der Sperling trug Läppchen und Strohhalme unter die Dachziegel; im Wipfel der Platane zwitschert der Zeisig des Südens, dessen weiches Nest nicht größer ist als eine halbe Aprikose; abends lässt die Zwergohreule ihren einförmigen Ruf erschallen, und der Steinkauz klagt. Vor dem Haus ist ein großes Becken, gespeist von der Wasserleitung, die den Brunnen des Dorfes das Wasser liefert. Dorthin begeben sich aus einem Umkreis von einem Kilometer die Batrachier in ihrer verliebten Jahreszeit. Die sechs bis sieben Zentimeter langen Kreuzkröten, mit hellgelbem Längsstreifen auf dem Rücken, treffen sich dort, um ihr Bad zu nehmen; wenn die Dämmerung hereinbricht, sieht man an den Rändern die Geburtshelferkröten herumhüpfen, bei denen das Männchen die befruchteten Eierschnüre auf dem Rücken trägt, bis die Embryonen genügend entwickelt sind. Dann bringt es sein kostbares Paket ins Wasser und schlüpft hierauf unter irgendeinen Stein, von wo es seine Stimme wie das Klingen eines Glöckchens vernehmen lässt. Wenn die Laubfrösche nicht im Gezweig der Bäume quaken, führen sie zierliche Tauchsprünge ins Wasser aus. Sobald im Mai die Nacht anbricht, wird daher das Bassin zu einem ohrenbetäubenden Orchester. Man kann kein Wort verstehen, wenn man im Haus bei Tisch sitzt, und ebensowenig schlafen. Es musste Abhilfe geschaffen werden durch Maßregeln, die vielleicht etwas zu streng waren. Allein, was blieb anderes übrig? Wer schlafen will, und dies nicht kann, wird wütend. Die noch kühneren Hautflügler haben sich sogar der Wohnung bemächtigt. Vor meiner Schwelle nistet in einem Schutthaufen die weißgegürtete Grabwespe; wenn ich ins Haus gehe, muss ich mich in acht nehmen, um ihre Erdhöhlen nicht zu beschädigen und die ganz in ihre Arbeit versunkene Miniererin nicht zu zertreten. Es ist wohl ein Vierteljahrhundert, dass ich diese ungestüme Grillenjägerin nicht mehr gesehen habe. Als ich zuerst ihre Bekanntschaft machte, musste ich jedesmal mehrere Kilometer weit in der glühenden Augusthitze wandern, um sie zu besuchen; heute finde ich sie unmittelbar vor meiner Tür wieder. Die Fensternische liefert dem Spinnentöter eine behaglich warme Wohnstätte. Er klebt sein aus Erde gemauertes Nest an den Stein und benutzt, um von außen dorthin zu gelangen, ein Loch, das sich zufällig in dem geschlossenen Fensterladen befindet. Auf den Stäben der Jalousien bauen einige vereinzelte Mörtelbienen ihre Zellen, während auf der Innenseite der halbgeöffneten Läden eine Pillenwespe ihre kleine Kuppel aus Lehm anbringt, die oben ein kurzer, sich ausweitender Hals überragt. Die gemeine Wespe und die Papierwespe sind meine Tischgenossen; sie kommen auf die Tafel geflogen, um nachzusehen, ob die aufgetragenen Trauben auch gut gereift sind. An diesen Insekten, die ich noch bei weitem nicht sämtlich namhaft gemacht habe, besitze ich eine ebenso zahlreiche wie gewählte Gesellschaft. Meine alten Freunde aus früherer Zeit, andere von neuerer Bekanntschaft, alle sind sie da, in nächster Nähe jagend, Honig sammelnd und bauend.

Wenn es übrigens nötig wird, die Beobachtungsorte zu wechseln, so ist nur wenige Schritte von meiner Besitzung entfernt der Berg mit seinen Gebüschen von Erdbeerbäumen, von Zistrosen und Baumheide; mit seinen sandigen Hängen, die die Kreiselwespe liebt, und seinen Mergelböschungen, die verschiedene Hautflügler zu ihren Bauten benützen. Weil ich diesen Reichtum an Insekten vorhersah, vertauschte ich die Stadt mit dem Dorf und ließ mich in Serignan nieder. Mit großen Kosten gründet man an unseren ozeanischen und Mittelmeerküsten Laboratorien für das Studium der Meeresfauna, (...) aber man verachtet die kleinen Landtiere, die in fortwährender Beziehung zu uns stehen, die für die allgemeine Psychologie unschätzbare Urkunden liefern, und die oft genug durch ihre Verheerungen das Nationalvermögen schädigen. Wann werden wir endlich ein Laboratorium der Entomologie erhalten, in dem man nicht das tote, sondern das lebendige Insekt studiert: den Instinkt, die Gewohnheiten, die Lebensweise, die Arbeiten, die Kämpfe und die Fortpflanzung dieser kleinen Welt, mit der die Landwirtschaft und die Philosophie sehr ernstlich zu rechnen haben? Gründlich die Geschichte des Verwüsters unserer Weinberge zu kennen, wäre vielleicht wichtiger, als zu wissen, wie diese oder jene Nervenfaser eines Rankenfüßers endigt; durch Versuche die Grenze zwischen Intelligenz und Instinkt festzustellen, durch Vergleichungen in der zoologischen Reihenfolge darzutun, ob die menschliche Vernunft eine nicht weiter erklärbare Fähigkeit ist oder nicht, dies alles erscheint mir wichtiger als die Zahl der Fühlerringe eines Krebstieres. Um diese so wichtigen Fragen zu beantworten, wäre endlose Arbeit erforderlich, allein es geschieht nichts. Die Mollusken und die Zoophyten sind in Mode; die Tiefen der Meere werden erforscht mittels eigens dazu konstruierter Werkzeuge - der Boden unter unseren Füßen bleibt unbekannt. Darauf wartend, ob die Mode wechseln wird, eröffne ich das für die lebendige Insektenkunde bestimmte Laboratorium des Harmas, das den Geldbeutel der Steuerzahler keinen Pfennig kosten soll.«

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