"Ich aber erforsche das Leben"
Die Lebensgeschichte des Naturforschers Jean-Henri Fabre

Fragen

»Ist es nicht eine Kinderei, mit höchster Genauigkeit das Tun und Treiben eines Insekts zu erforschen? Es bewegen uns doch zu viele andere, wichtigere Gedanken, als dass noch Zeit für solchen Zeitvertreib bliebe.

So sprechen wir im Alter aus bitterer Erfahrung; solche Schlussfolgerungen müsste ich ziehen, und müsste meine Forschungen einstellen, könnte ich in dem ganzen Wirbel meiner Beobachtungen nicht doch da und dort einige Lichtschimmer erkennen, die ein wenig dazu beitragen mögen, die bedeutendsten Probleme zu erhellen, die zu ergründen uns aufgetragen ist. Was ist Leben? Werden wir jemals bis zu seinen Ursprüngen vordringen können? Wird es uns erlaubt sein, in einem Tropfen Schleim jenes leichte Erzittern hervorzurufen, das am Anfang alles werdenden Lebens steht? Was ist die menschliche Intelligenz? Worin unterscheidet sie sich von der Intelligenz des Tieres? Was ist Instinkt? Sind diese beiden seelischen Fähigkeiten zwangsläufig nicht weiter ableitbar, oder lassen sie sich auf einen gemeinsamen Ursprung zurückführen? Sind die einzelnen Arten und Gattungen durch die Kette ihrer Abstammung im Verlauf der Entwicklung miteinander verbunden? Oder haben wir es mit einer gleichbleibenden Zahl von ein für alle Mal geprägten Medaillen zu tun, jede mit einem anderen Stempel geschlagen, dem der Zugriff der Jahrhunderte nichts anhaben kann, außer, wenn er ihn früher oder später ganz vernichtet? Diese Fragen quälen jeden denkenden Geist und werden ihn auch dann noch bestürmen, wenn die Sinnlosigkeit unserer Bemühungen, diese Fragen zu lösen, uns schließlich raten sollte, sie ganz aufzugeben und in den Vorhimmeln des für uns nicht Erkennbaren zu belassen. (...) Für solche Fragen, ob sie nun wissenschaftlich lösbar sind oder nicht, brauchen wir ein großes Bündel wohlfundierter Tatsachen, wozu die Insektenforschung, trotz ihrem bescheidenen Bereich innerhalb der Wissenschaften, einen nicht unbedeutenden Beitrag leisten kann. Und das ist der Grund, warum ich beobachte, forsche und vor allem experimentiere.«

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