In der lähmenden Hitze des Mittags, unter dem stählernen Blau des südfranzösischen Himmels, liegt ein kleiner alter Mann auf dem glühenden, von der Trockenheit steinhart gebackenen Lehmboden eines Feldrains. Nur ein schwarzer, breitkrempiger Filzhut schützt seinen Kopf vor der Ungnade der Sonne. Der alte Mann liegt auf dem Bauch und beobachtet geduldig eine Sandwespe.
Das schwarze, vielleicht zwei Zentimeter lange Insekt mit den zottigen Beinen
und dem roten Hinterleibsring gräbt mit seinen Kiefern ein Loch in die spärlich
mit Gras durchwachsene Wegböschung. Ohne Hast nagt das Tier einen Gang in das
Erdreich und schiebt, was es aufgeschürft hat, mit den Vorderbeinen fort. Wenn
irgendein Steinchen besonders schwierig fortzuschaffen ist, hört der
alte Mann vom Grunde des Schachts ein scharfes Knirschen. Der ganze Körper
der Wespe vibriert dann vor Anstrengung, das ruft das Geräusch hervor.
In kurzen Abständen kommt das Insekt mit einer Ladung Abraum zwischen
den Kiefern ans Tageslicht, die es in einiger Entfernung vom Nest fallen
lässt. Doch gewisse der ausgegrabenen Steinchen, bemerkt der
alte Mann, finden wegen ihrer flachen Form und ihrer Größe besondere
Beachtung. Die Wespe legt sie unmittelbar neben der Öffnung nieder.
Der alte Mann wartet geduldig. Einmal holt er einen Apfel aus seiner Rocktasche
und verspeist ihn, während er weiter den Nestbau beobachtet. Einmal
gehen zwei Frauen vorbei, Bäuerinnen oder Landarbeiterfrauen aus der
Gegend. Sie zeigen auf ihn und flüstern sich kichernd etwas zu. Der
alte Mann bemerkt es. Aber er zuckt nicht einmal die Schultern.
Gegen Abend ist das Nest noch nicht fertig. Die Sonne ist weitergewandert, nun liegt es im Schatten. Jetzt sieht der alte Mann, was der Zweck der beiseite gelegten Steinchen ist. Die Wespe wählt eines aus, das etwas größer ist als die Schachtmündung. Sie packt es mit ihren Kiefern und benützt es als vorläufigen Verschluss für ihr noch unvollendetes Werk. Dann fliegt sie fort. Der alte Mann steht langsam auf und folgt ihr mit den Blicken. Anscheinend besucht sie noch ein paar Blumen in der Nachbarschaft, um im letzten Tageslicht ein paar Tropfen Zuckersaft zu schlürfen. ,Wie ein Grubenarbeiter, der sich nach der Plage im Stollen mit einem Abendschoppen stärkt‘, denkt der alte Mann. Er markiert seinen Beobachtungsort mit ein paar Zweigen, die er in die Erde steckt. Dann geht er nach Hause.
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