"Ich aber erforsche das Leben"
Die Lebensgeschichte des Naturforschers Jean-Henri Fabre

Sinn

»Jede Art, jede Gattung, welche auch immer einem derartigen Experiment unterzogen wird, begeht ähnliche Ungereimtheiten, wenn der Ablauf ihrer Tätigkeit gestört wird. Durch die unerbittliche Logik der Tatsachen gezwungen, formuliere ich also die Ergebnisse meiner Beobachtungen: Das Tier ist weder frei noch bewusst in seiner Tätigkeit, einer äußerlichen Funktion, deren Abläufe fast ebenso streng geregelt sind, wie die Phasen irgendeiner inneren Funktion, etwa der Verdauung.

Es mauert, es webt, es jagt, es ersticht, es lähmt, so wie es verdaut, wie es das Gift seiner Waffe, die Seide seines Kokons, das Wachs seiner Waben ausscheidet - immer unbewusst, was Mittel und Zweck angeht. Es kennt seine wunderbaren Talente ebensowenig wie der Magen seine gelehrte Chemie. Es kann nichts Wesentliches hinzufügen, nichts auslassen, so wie es das Pulsieren seines Rückengefäßes nicht steigern oder verringern kann.«

Der Gegensatz zur Intelligenz wird betont: »Dem Insekt fehlt also die Fähigkeit, die nachdenkt, die kehrt macht, auf das Vorhergegangene zurückkommt, damit nicht alles Folgende jeden Wert und Sinn verliert. In den einzelnen Phasen seines Handelns erhält jede vollbrachte Tat nur dadurch Gültigkeit, dass sie vollbracht wurde; das Insekt kommt nicht darauf zurück, wenn irgendein Zwischenfall das notwendig machen sollte; das Darauffolgende geschieht ohne Rücksicht auf das nicht mehr vorhandene Vorausgegangene. Ein blinder Antrieb leitet es von der ersten zur zweiten Handlung, von der zweiten zur dritten und so weiter, bis zur Vollendung des Werks, ohne dass das Insekt irgendeine Möglichkeit hätte, sozusagen gegen den Strom den Ablauf seiner Tätigkeit wieder zurückzuverfolgen, wenn zufällig eintretende Umstände das nötig machen sollten, und wäre es noch so dringend notwendig.

Nachdem der ganze Zyklus durchlaufen ist, stehen wir vor einem vollendeten Werk, das sehr logisch von einem Arbeiter erstellt wurde, dem selbst jegliche Logik mangelt.« Doch trotz der Erklärung musste er immer wieder staunen: »Du erzählst mir, auf deine Art, von einer wahrhaft seltsamen seelischen Veranlagung, die dazu fähig ist, die Wunder eines hohen Kunstfleißes mit den Irrungen eines unergründlichen Stumpfsinns zu vereinigen!« schrieb er über die Kreuzspinne, die eifrig ihr Nest vollendete, aus dem er doch die Eier entfernt hatte . Was aber veranlasst das Tier zu seiner Arbeit, deren Sinn es nicht kennt? »Der Anreiz zur Arbeit ist das Vergnügen, beim Tier der Hauptmotor jedes Tuns. Keineswegs sieht die Mutter die künftige Larve vor sich; sie baut nicht, legt die Vorräte nicht an in dem bewussten Gedanken an eine Familie, die sie aufziehen wird. Der eigentliche Sinn ihrer Arbeit bleibt ihr verborgen; das nebensächliche, aber äußerst anregende Ziel, das Vergnügen, das sie erlebt, ist ihr einziger Wegweiser.

Die Spinnentöterin empfindet höchste Befriedigung, wenn sie eine Zelle mit Spinnen vollstopft; und sie begibt sich auch weiter mit ungebrochenem Eifer auf die Beutesuche, wenn das aus der Zelle entfernte Ei die Vorräte überflüssig macht. Sie genießt es, die Fassade ihres Nests mit Schlamm zu bewerfen, und sie verputzt auch den Bauplatz ihres Nestes, das doch vorher von der Mauer entfernt worden ist, ohne etwas von der Sinnlosigkeit ihres Tuns zu ahnen. Und das gilt für alle anderen auch. Wollten wir ihnen die Verirrungen zum Vorwurf machen, müssten wir bei ihnen einen kleinen Funken von Vernunft voraussetzen, wie Darwin meinte; wenn sie diesen aber nicht aufzuweisen haben, entfällt auch der Vorwurf, und ihr sinnloses Verhalten ist die unvermeidliche Folge einer Unbewusstheit, die auf ihren normalen, gewohnten Wegen gestört wurde.« Sinn »Jede Art, jede Gattung, welche auch immer einem derartigen Experiment unterzogen wird, begeht ähnliche Ungereimtheiten, wenn der Ablauf ihrer Tätigkeit gestört wird. Durch die unerbittliche Logik der Tatsachen gezwungen, formuliere ich also die Ergebnisse meiner Beobachtungen: Das Tier ist weder frei noch bewusst in seiner Tätigkeit, einer äußerlichen Funktion, deren Abläufe fast ebenso streng geregelt sind wie die Phasen irgendeiner inneren Funktion, etwa der Verdauung. Es mauert, es webt, es jagt, es ersticht, es lähmt, so wie es verdaut, wie es das Gift seiner Waffe, die Seide seines Kokons, das Wachs seiner Waben ausscheidet - immer unbewusst, was Mittel und Zweck angeht.

Es kennt seine wunderbaren Talente ebensowenig wie der Magen seine gelehrte Chemie. Es kann nichts Wesentliches hinzufügen, nichts auslassen, so wie es das Pulsieren seinen Rückengefäßes nicht steigern oder verringern kann.«

Maschine
Inhalt